Lea Plörer

So hängen Kapitalismus und Patriarchat zusammen

Lea Plörer
Lea Plörer
Eine Illustration einer Hand mit einem Dollarschein

Manchmal klingt es fast wie ein Verschwörungsplot aus einem dystopischen Thriller: Zwei riesige Systeme, die sich gegenseitig stützen, um die Macht unter sich aufzuteilen. Aber es ist Realität. Patriarchat und Kapitalismus funktionieren nicht trotz-, sondern gerade wegen­ einander. Beide prägen unsere Gesellschaft tiefgreifend – und beide verstärken sich gegenseitig auf eine Art, die nicht nur unfair ist, sondern systematisch gegen Frauen und andere marginalisierte Gruppen arbeitet.

 


 

Was ist eigentlich das Patriarchat?

Patriarchy, who? Patriarchat heißt so viel wie “Väterherrschaft” – klingt zwar veraltet, ist aber ziemlich real, ziemlich present und, na ja…ziemlich nervig.

Im Kern beschreibt das Patriarchat ein gesellschaftliches System, in dem Männer die dominanten Rollen einnehmen. Sie prägen die Normen, besetzen die Führungspositionen und bestimmen weitgehend die Spielregeln. Von der Politik über die Wirtschaft bis hin zu Forschung und Medizin: die meisten Standards wurden von Männern, für Männer gemacht.

Büroräume sind meist für das männliche Wohlbefinden temperiert, während Frauen es ein paar Grad wärmer bräuchten. Crashtest-Dummies sind standardisierte Männer, so dass Frauen bei einem Crash weniger Schutz geboten wird, weil sie in den Tests nicht bzw. weniger berücksichtigt wurden. Die Schwedin Astrid Linder hat mittlerweile zwar einen weiblichen Crashtest-Dummy entwickelt, ihre Verwendung ist aber optional. Die Liste geht weiter, von Handys die zu groß für Frauenhände sind zu Medikamentenverschreibungen die nicht an den Zyklus bzw. die Körper von Frauen ausgelegt sind, hin zu öffentlichen Toiletten, die zwar beiden Geschlechter oft gleichviel Quadratmeter zuschreiben, dabei aber irgendwie “übersehen”, dass sehr viel mehr Urinale als Sitzklos in den gleichen Raum passen. Lange Schlangen vor Frauenklos kommen nicht von ungefähr.

Dabei geht es weniger darum, dass jeder einzelne Mann automatisch von diesem System profitiert. Ganz im Gegenteil, das Patriarchat schadet Männern genau so. Vielmehr geht es um tief verankerte Strukturen, die bestimmte Eigenschaften und Werte bevorzugen: Hierarchie, Wettbewerb, Durchsetzungsvermögen. Alles, was als klassisch „männlich“ gilt, wird oft höher bewertet als Fürsorge, Kooperation und soziale Intelligenz – Fähigkeiten, die gesellschaftlich eher Frauen zugeschrieben werden, aber selten dieselbe Anerkennung erhalten.

Kapitalismus 101

1. Profitmaximierung

Das Ziel im Kapitalismus ist nicht, dass alle gut leben – sondern dass Unternehmen möglichst viel Profit machen.

Profit = Einnahmen – Ausgaben

Je weniger Unternehmen also für Löhne, Rohstoffe oder Steuern ausgeben, desto mehr Profit machen sie. Deshalb werden Löhne oft niedrig gehalten, Sozialleistungen gekürzt, Steuern umgangen (die Influencer ziehen nicht wegen der Menschenrechte nach Dubai, trust me), Produktionen ins Ausland verlagert und Arbeitsplätze durch Automatisierung ersetzt.

Auf all diese Wege lässt sich mehr Profit erzielen, was mehr Geld für Eingetümer*innen und Aktionär*innen bedeutet

2. Wachstum

Im Kapitalismus ist Wachstum ein Muss.

Stell dir den Kapitalismus wie ein Fahrrad vor: Solange du trittst, bleibst du stabil. Hörst du auf zu treten, fällst du um. Das Treten = Wachstum.

Warum?

  • Unternehmen wollen Gewinne.
  • Investoren erwarten, dass ihr investiertes Geld mehr wird (Zinsen, Dividenden, Aktiengewinne).
  • Staaten kalkulieren ihre Budgets auf Basis von steigendem Steueraufkommen.
  • Schulden (Staatsschulden, Unternehmensschulden, Privatkredite) lassen sich leichter bedienen, wenn die Wirtschaft wächst.

Deshalb gibt es so einen permanenten Druck auf „mehr, mehr, mehr“.

Wirtschaft ohne Wachstum? Im heutigen System fast undenkbar — obwohl es dringend nachhaltigere Alternativen bräuchte (Stichwort: Postwachstumsökonomie, De-Growth und Zirkuläre Wirtschaftssysteme).

3. Lohndruck

Um Profit zu steigern, versuchen Unternehmen, die Löhne niedrig zu halten. Billige Arbeit = mehr Gewinn.

Und das ist kein Zufall, sondern fester Bestandteil kapitalistischer Logik: Je mehr Arbeit billig oder gratis erledigt wird, desto mehr Reichtum kommt an der Spitze zusammen.

Man sieht das am Beispiel USA ziemlich brutal: Nach der Abschaffung der Sklaverei entwickelte sich das private Gefängnissystem. Heute werden Millionen (überproportional People of Color) unter dem Deckmantel der “Strafe” inhaftiert und leisten dort unter miserablen Bedingungen Arbeit — oft für Centbeträge pro Stunde. Es ist moderne Zwangsarbeit, aber eben “legal”.

Historisch ist das kein neues Muster. Schon der ursprüngliche Reichtum westlicher Staaten basierte auf billiger Arbeit durch Kolonialismus, Sklaverei und Ausbeutung ganzer Bevölkerungen. Heute läuft die gleiche Logik subtiler weiter — globalisierte Lieferketten, Fast Fashion, Sweatshops: Millionen Frauen in Ländern des globalen Südens nähen Kleidung für westliche Märkte für Hungerlöhne.

4. Kapital

Im Kapitalismus zählt nicht nur, wer arbeitet, sondern vor allem, wer besitzt. Kapital sind Maschinen, Immobilien, Aktien, Geldanlagen etc. Je mehr Kapital jemand besitzt (Immobilien, Aktien, Unternehmen), desto leichter wird er*sie noch reicher, denn Kapital generiert Einkommen – ganz ohne Arbeit.

Eine Arbeitnehmerin verkauft die eigene Zeit – 40 Stunden Arbeit = 40 Stunden Einkommen

Kapitalbesitzer*innen besitzen Kapital (z.B. 10 Wohnungen). Die Mieteinnahmen kommen jedes Monat, egal ob die Vermietenden dafür arbeiten oder nicht.

So wird auch die Schere zwischen Arm und Reich immer größer. Während der COVID-19 Pandemie konnten so die 10 reichsten Männer ihr Vermögen verdoppeln, während Millionen Menschen weltweit zusätzlich in die Armut abgerutscht sind. Im 2022 Bericht von Oxfam wird gezeigt, dass die 2.755 Milliardär*innen seit Beginn der Pandemie ihr Vermögen stärker vermehrt haben als in den gesamten 14 Jahren davor. Um die Problematik dieses Fakts weiter zu verdeutlichen: Während ohnehin beinahe die Hälfte der Weltbevölkerung (3,2 Milliarden) unterhalb der Armutsgrenze leben, kamen in den Pandemiejahren weitere 163 Millionen hinzu.

5. Systemischer Bias

Das System bevorzugt, was bereits oben ist. Wer Vermögen, Bildung oder Netzwerke hat, bleibt meist oben. Wer unten startet, braucht viel mehr Anstrengung, um aufzusteigen – und scheitert oft an unsichtbaren Barrieren wie schlechter Bezahlung, unbezahlter Arbeit, Diskriminierung.

6. Externe (und unsichtbare) Kosten

Der Kapitalismus rechnet nur, was sich in Geld und am besten in Profiten ausdrücken lässt.

Viele unsichtbare „Kosten“ werden daher ausgelagert, wie etwa Gesundheitsschäden, Umweltzerstörung, psychische Belastungen oder Ungleichheit. Diese Kosten zahlen am Ende die Allgemeinheit — aber nicht die Unternehmen.

7. Shareholder Value

Shareholder sind Aktionär*innen – Sprich, Menschen die Anteile an einem Unternehmen gekauft haben. Mit dem darin investierten Geld, also ihren Aktien, kaufen sie auch Stimmrechte und Entscheidungsgewalt ein. Desto mehr Anteile, desto mehr Mitspracherecht. In vielen großen Unternehmen gilt deshalb: Hauptsache die Aktienkurse steigen und die Dividenden werden ausgezahlt. Entscheidungen werden so oft nicht mehr im Sinne der Mitarbeitenden oder Gesellschaft getroffen, sondern für Aktionäre.

 

Warum Kapitalismus das Patriarchat braucht

Der Kapitalismus braucht Strukturen, die Profit ermöglichen. Und das Patriarchat bietet ihm genau den passenden Nährboden.

Beide Systeme ergänzen sich perfekt: Der Kapitalismus funktioniert ganz nach dem Motto – mehr, schneller, billiger, profitabler. Und da passt das Patriarchat perfekt rein, weil es eh schon Menschen in Kategorien von “mehr Wert” und “weniger Wert” einsortiert hat.

Ein paar Beispiele, wie das konkret aussieht:

Blonde Frau die Geld zählt

1. Sex sells — und zwar auf Kosten von Frauen

Der Kapitalismus hat das Prinzip “Sex sells” quasi als Businessmodell perfektioniert. Frauenkörper werden objektifiziert und sexualisiert, damit sich Produkte besser verkaufen. Gleichzeitig wird Frauen eingeredet, dass sie nie gut genug sind. Die Schönheitsindustrie lebt davon, Frauen ein Idealbild zu verkaufen, das sie nie ganz erreichen können – aber immer versuchen sollen. Und zack: Konsumspirale.

Und dabei haben wir noch nicht einmal von der Pink Tax gesprochen, dass Frauen für das gleiche Produkt mehr bezahlen. Bei geringerem Lohn wohlgemerkt.

2. Abwertung von Frauenarbeit

Die Frage die man sich hierbei stellen muss, ist zwangsläufig: Wählen Frauen Berufe mit geringem Ansehen oder werden Berufe abgewertet, wenn Frauen sie dominieren?

Man könnte meinen: Frauen wählen „halt einfach“ häufiger soziale, pflegende Berufe. Aber so einfach ist das nicht. Studien zeigen: Berufe verlieren häufig an Status und Bezahlung, sobald mehr Frauen sie ausüben.

  • Informatik: In den Anfängen der IT waren viele Programmierer*innen Frauen. Damals galt Programmieren als “Tipparbeit”. Als der Bereich an Bedeutung gewann, stieg der Männeranteil – und plötzlich wurden die Gehälter und der Status massiv angehoben und Frauen aus dem Beruf gedrängt: “Frauen seien für diese Arbeit nicht geeignet”.
  • Bildung: Die Lehre ist ein Vorzeigebeispiel wie Männlichkeit und Prestige Hand in Hand gehen. In deutschen Kindergärten liegt der Anteil an weiblichen Betreuungspersonen bei über 90 %. In der Grundschule sieht es ähnlich aus: 88,5 % der Lehrkräfte sind Frauen. Je kleiner die Menschen – desto weiblicher das Personal. Erst wenn es um mehr Prestige, Macht und Einfluss geht – hello Gymnasium – verändert sich das Bild langsam. Hier sind “nur” noch 61,5 % der Lehrenden weiblich. Erst an Universitäten kippt die Verteilung, denn hier halten Männer ganz klar ihre Vormachtstellung und dominieren nach wie vor die höchsten akademischen Ränge. 2023 lag der Frauenanteil der hauptberuflichen Professorinen gerade einmal bei 29%. Das Muster ist offensichtlich – je höher das Ansehen, je besser die Bezahlung, je elitärer die Position – desto männlicher.
  • Medizinische Assistenzberufe, Pflege, soziale Arbeit: Klassisch weiblich besetzte Berufe, extrem anspruchsvoll – aber dauerhaft unterbezahlt.

Nicht Frauen suchen sich billige Jobs – sondern das System wertet Jobs systematisch ab, sobald sie mehrheitlich von Frauen ausgeübt werden. Das ist strukturelle Diskriminierung, maskiert als “Marktlogik”. Menschen die weniger Anteil an der von ihnen produzierten Wertschöpfung bekommen (geringere Löhne), werden also stärker ausgebeutet. Kapitalismus liebt dieses Prinzip von billiger Arbeitskraft, denn wer billigere Arbeitskräfte findet (ob durch Geschlecht, Herkunft, prekäre Lebenslagen), gewinnt im Wettbewerb.

3. Frauen arbeiten mehr – verdienen aber weniger

Oft wird argumentiert: „Aber Frauen dürfen doch heute genauso arbeiten wie Männer.“

Stimmt. Aber sie übernehmen zusätzlich zur bezahlten Arbeit weiterhin den Löwenanteil der unbezahlten Care-Arbeit.

Das bedeutet: Frauen arbeiten nicht stattdessen für Geld, sie arbeiten mehr – und sind trotzdem finanziell oft schlechter gestellt. 20,8% der Frauen über 65 gelten als armutsgefährdet, was sich in der so genannten Gender-Pension-Gab zeigt. Die Alterseinkünfte die Frauen beziehen liegen mit knapp 18.700 EUR brutto im Jahr 27% niedriger als die von Männern. Frauen sind also weiterhin oft auf Partnerschaften oder Hinterbliebenenrenten angewiesen. Im Jahr 2023 lebten 17,7 Millionen Menschen in Deutschland in Armut – darunter vor allem Frauen, Kinder und Alleinerziehende.

4. Eigentum und Macht bleiben ungleich verteilt

Macht wird in einem kapitalistischem System durch Eigentum erhalten. Gleichzeitig wird Besitz besser geschützt und weniger besteuert, als Einkommen aus Arbeit. Menschen, die also bereits besitzen (Aktien, Firmen…), bekommen durch Arbeit die von Angestellten geleistet wird, mehr Profit. In einer Welt, wo Eigentum weniger besteuert wird als Lohn, gewinnen diese Menschen quasi doppelt. Das wird auch Matthäus-Effekt genannt, ganz nach dem Prinzip “Wer hat, dem wird gegeben”. Und das sind einfach überwiegend weiße Männer.

Geld schafft mehr Geld. Arbeit allein reicht selten aus, um diese Dynamik zu durchbrechen, auch wenn dir der American Dream weiterhin das Gegenteil einreden will.

 

Care-Arbeit: Das unsichtbare Billionengeschäft

Besonders skrupellos wird es, wenn es um jene Arbeit geht, die meist gar nicht als „richtige Arbeit“ zählt: Care-Arbeit. Weltweit übernehmen Frauen den Großteil an Pflege, Kinderbetreuung und Haushalt – unbezahlt, und oft unsichtbar. In einem System, wo der Wert eines Menschen anhand seiner wirtschaftlichen Leistung bemessen wird, sendet das eine ziemlich klare Botschaft über die gesellschaftliche Stellung von Frauen.

Was aber wenn diese Arbeit nach kapitalistischen Kriterien sichtbar gemacht würde?

Pflegende Mutter mit Baby am Arm

Care-Arbeit als Wirtschaftssektor

Laut World Economic Forum macht diese unsichtbare Arbeit rund 9% des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus, das sind rund 11 Billionen Dollar jährlich. Zum Vergleich: Das ist so viel wie der gesamte globale Tourismussektor 2024 erwirtschaftet hat. Würde man die weltweit geleistete unbezahlte Care-Arbeit also fair entlohnen, wäre dieser „Wirtschaftszweig“ einer der größten weltweit – nur eben ohne Gehalt, Arbeitsvertrag, Absicherung oder Anerkennung.

Würde Care-Arbeit fair entlohnt, wäre sie einer der bedeutendsten Wirtschaftssektoren überhaupt – und Millionen Frauen hätten endlich das, was ihre Arbeit verdient: finanzielle Sicherheit, gesellschaftlichen Respekt und politische Sichtbarkeit.

Dass diese Ungleichheit keine Randerscheinung ist, zeigen auch die Zahlen: Frauen leisten im Schnitt rund 201 Tage pro Jahr an unbezahlter Sorgearbeit – Männer gerade mal 63. Und das gilt nicht nur für Länder mit explizit patriarchalen Strukturen, sondern auch für sogenannte „progressive“ Gesellschaften. Gleichberechtigung? Noch längst nicht Alltag.

Die Zukunft der Care-Arbeit

Care-Arbeit – also das Sorgen für andere – ist das unsichtbare Rückgrat unserer Gesellschaft. Ohne sie geht gar nichts. Sie hält Kinder gesund, ältere Menschen versorgt, Haushalte am Laufen und Beziehungen stabil. Und trotzdem wird sie systematisch abgewertet und gar nicht bezahlt. Warum? Weil sie meistens von Frauen erledigt wird. Weil sie keinen direkten Profit bringt. Und weil Männer in Machtpositionen es gewohnt sind, dass sie “einfach so” (traditionell von Ehefrauen, Müttern und Haushälterinnen) übernommen wird.

Wenn wir wollen, dass alle Menschen fair und würdevoll leben können, müssen wir Care-Arbeit raus aus dem Privaten holen, und zu einem gesellschaftlichen Anliegen machen. Das heißt konkret: öffentliche Infrastruktur für Betreuung auszubauen. Mehr und bezahlte Fachkräfte in Kitas, Ganztagsschulen und Pflegeheimen. Elternzeitmodelle, die aktiv beide Elternteile einbeziehen. Und Arbeitsplätze, die nicht implizieren, dass nur Menschen ohne Sorgeverantwortung „voll einsetzbare Vorzeigeangestellte“ sind.

Doch echte Veränderung passiert nicht nur top-down durch Politik, sondern häufig auch bottom-up. In selbstorganisierten Care-Kollektiven, solidarischen Nachbarschaftsnetzwerken oder feministischen Wohnprojekten wird heute schon gezeigt, wie Fürsorge auch gemeinschaftlich, nachhaltig und gerecht organisiert werden kann. Diese Initiativen arbeiten heute schon an Lösungen, die in der Politik aktuell noch nicht absehbar sind und als Vorlagen für ein neues Miteinander dienen können.

Wichtig ist: Lösungen dürfen nicht exklusiv sein. Es bringt nichts, wenn sich nur gut ausgebildete Mittelschichtspaare Elternzeit „leisten“ können, während Alleinerziehende oder prekär Beschäftigte durchs Raster fallen. Gerechtigkeit muss für alle mitgedacht werden – intersektional, feministisch, inklusiv. Und das geht nur, wenn wir gemeinsam Verantwortung übernehmen: zwischen allen Geschlechtern, sozialen Gruppen, zwischen Privatpersonen, Arbeitgeber*innen und dem Staat. Nur wenn Care nicht als „individuelles Problem um das sich jede*r selbst kümmert“ verstanden wird, sondern als gemeinschaftliche Aufgabe, können wir sie aufwerten – und die Strukturen schaffen, in denen Menschen nicht nur überleben, sondern würdevoll leben können.

Frauenhand hält Babyfüße

Gibt es einen Weg aus der Ungleichheit?

Wenn wir über Kapitalismus und Patriarchat sprechen, kann sich das schnell anfühlen wie ein Kampf von David gegen einen nicht sichtbaren Goliath. Zwei riesige, historisch gewachsene Systeme, die so tief in unserem Alltag verankert sind, dass man sie kaum noch hinterfragt.

Und dennoch, es gab nie einen Moment in der Menschheitsgeschichte, wo sich nicht irgendwas verändert hat. Denn was heute als „normal“ gilt – dass Menschen sich für ihren Lebensunterhalt kaputtarbeiten müssen, dass Frauen Doppelschichten leisten und trotzdem weniger verdienen, dass Macht und Geld in den Händen weniger liegen – war nicht immer so. Und es muss auch nicht so bleiben.

In Skandinavien z. B. zeigen staatlich geförderte Modelle für gleichberechtigte Elternzeit und flächendeckende Kinderbetreuung, wie Care-Arbeit solidarischer organisiert werden kann. In Teilen Lateinamerikas wird über feministische Ökonomien eine gleichberechtigtere Außen- und Pflegepolitik angestrebt. Und weltweit gibt es feministische Bewegungen, Genossenschaftsmodelle und Community-Projekte, die aktiv versuchen, den kapitalistischen Drang nach Leistung und Wachstum ein Gegenmodell vorzuhalten. Sei es durch solidarische Landwirtschaft, Gemeingut-Ökonomie oder Tauschsysteme.

Geschichte ist kein Stillstand. Sie ist Veränderung. Und genau wie frühere Generationen sich aus feudalen, rassistischen oder sexistischen Systemen befreit haben, können auch wir bestehende Machtverhältnisse in Frage stellen, und bessere Alternativen denken. Patriarchat und Kapitalismus sind keine Naturgesetze. Sie sind menschengemacht. Und was Menschen gemacht haben, können Menschen auch wieder verändern