Lea Plörer

Patriarchat Glossar: Alle wichtigen Begriffe erklärt

Lea Plörer
Lea Plörer

Wer über das Patriarchat spricht, muss sich oft durch einen Dschungel an Begriffen kämpfen. Viele dieser Wörter stammen aus Aktivismus, Soziologie oder Gender Studies – und wirken auf den ersten Blick abstrakt oder einschüchternd. Dieses Glossar soll genau das ändern. Es ist eine Einladung, sich Wissen niedrigschwellig und verständlich anzueignen, denn Sprache prägt unser Denken. Und nur wenn wir Begriffe wie „Care-Arbeit“, „Slut Shaming“ oder „Androzentrismus“ nicht nur hören, sondern auch verstehen, können wir die Strukturen, die uns umgeben, klarer benennen – und verändern.


Patriarchat

Ein soziales System, in dem Männer – vor allem Cis-Männer – die zentrale Machtposition innehaben. Egal ob in Politik, Wirtschaft, Medien, Wissenschaft oder Familie. Wörtlich übersetzt heißt Patriarchat „Väterherrschaft“.

Das Patriarchat ist ein soziales System, in dem Männer – vor allem Cis-Männer – die auf männlicher Autorität basiert und sich durch verschiedene gesellschaftliche Institutionen, Normen und Praktiken manifestiert. Sie treffen Entscheidungen, besitzen mehr Vermögen und genießen mehr gesellschaftliches Ansehen. Es beeinflusst nicht nur wer Macht hat, sondern auch, was als wertvoll, richtig oder normal gilt und benachteiligt systematisch alle, die diesem Ideal nicht entsprechen (Frauen, queere Menschen, trans* Personen etc.).

 

Feminismus

Es gibt nicht den einen Feminismus. Von Strömungen von liberal zu radikal, intersektional etc.

Was feststeht: In einer Welt, in der Geschlechterverhältnisse strukturell ungleich sind, braucht es eine Bewegung, die genau das sichtbar macht und verändert. Feminismus bedeutet, dass alle Menschen – unabhängig von Geschlecht – gleich viel wert sind. Es geht nicht um Umkehrung der Machtverhältnisse, sondern um deren Auflösung. Feminismus erkennt an, dass patriarchale Strukturen Menschen einschränken und ausschließen. Gleichzeitig bietet er Lösungen an, die von gesetzlicher Gleichstellung über körperliche Selbstbestimmung bis zu neuen Erzählungen über Männlichkeit und Weiblichkeit reichen.

Wer gegen Feminismus ist, ist für ein System, das Gewalt, Ungleichheit und Abwertung normalisiert. Und ja: Feminismus muss intersektional sein. Wer nur weiße, heterosexuelle Mittelschichtsfrauen schützen will, hat die Aufgabe nicht verstanden.

Spoiler: Auch Männer profitieren vom Feminismus.

 

Cis-Männer / Cis-Frauen

Menschen, die sich mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Also: Du wurdest als Junge geboren, identifizierst dich als Mann → Cis-Mann.

Diese Benennung ist wichtig, weil es so nicht mehr das Geburtsgeschlecht automatisch als Normalfall annimmt, inklusive Sprache fördert und Raum für mehr Lebensrealitäten schafft.

 

Intersektionalität

Ein Konzept, das erklärt, wie unterschiedliche Formen von Diskriminierung – z. B. aufgrund von Geschlecht, Hautfarbe, Klasse, Behinderung, Sexualität – sich überschneiden und verstärken können. Eine Schwarze Frau erfährt z. B. nicht “ein bisschen Sexismus + ein bisschen Rassismus”, sondern oft beides gleichzeitig – und somit eine ganz eigene, spezifische Form der Unterdrückung.

 

Gender

Das soziale Geschlecht. Es beschreibt die Rollen, Erwartungen und Verhaltensmuster, die einer Person basierend auf ihrem biologischem Geschlecht gesellschaftlich zugeschrieben werden und mit “männlich” oder “weiblich” assoziiert werden. Hat wenig mit Biologie zu tun, aber viel mit Macht und Normen.

 

Biologisches Geschlecht (Sex)

Bezieht sich auf körperliche Merkmale wie Chromosomen, Hormone oder Genitalien. Aber selbst das ist nicht so klar binär, wie oft behauptet wird – etwa bei Intergeschlechtlichkeit.

 

Geschlechterrollen

Wer sich einmal in ein Trad Wife Rabbithole begeben hat, weiß, dass es in dem Diskurs über Geschlechterrollen oft so klingt, als würde von Naturgesetzen gesprochen werden. Dabei handelt es sich um sozial konstruierte Käfige. Und sie begrenzen uns alle.

Von klein auf lernen wir, was „männlich“ und was „weiblich“ zu sein hat – und wie wenig Raum dazwischen angeblich existiert. Mädchen sind brav, hübsch, fürsorglich und mögen rosa. Jungen stark, laut und rational. Wer davon abweicht, wird oft ausgegrenzt und steht vor der Aufgabe sich regelmäßig dafür erklären zu müssen.

Aber diese Rollen helfen niemandem. Sie sind eng, eindimensional, und lassen keinen Raum für Individualität. Sie diktieren, was wir fühlen dürfen, welche Berufe wir wählen, wie wir lieben, was wir tragen. Geschlechterrollen zu hinterfragen heißt, nicht alles gleich zu machen. Es heißt sich selbst ehrlich kennenzulernen und herauszufinden, was man wirklich mag – wenn es keine Grenzen gäbe. Denn echte Gleichstellung braucht Wahlfreiheit.

 

Andozentrismus

Ein Weltbild, das den Mann – vor allem den weißen, heterosexuellen, Cis-Mann – als das Maß der Dinge nehmen. Frauen und andere Identitäten gelten dann nur als „Abweichung“ des Mannes. Wie etwa Medikamentendosierungen, die auf Männerkörper ausgelegt sind.

 

Heteronormativität

Die Annahme, dass Heterosexualität die einzig “natürliche” Beziehungsform und von vornherein angenommene Sexualität ist, und von Medien und gesellschaftlich reproduziert werden. Alles andere scheint abweichend oder erklärungsbedürftig. Diese Denkweise blendet queere Lebensrealitäten systematisch aus.

 

Gender Bias

Unbewusste Voreingenommenheit gegenüber einem bestimmten Geschlecht. Kann sich in Einstellungen, Sprache, Bewertungen und Entscheidungen zeigen – z. B. wenn Mädchen körperlich weniger zugetraut wird oder bei einer Bewerbung dem männlichen Bewerber bei gleichen Qualifikationen mehr Kompetenz zugeschrieben wird. Gender Biases sind unbewusst und nahezu überall: im Job, der Familie, der Schule, sogar bei der KI.

 

Misogynie

Die Abwertung, Abneigung oder der Hass gegenüber Frauen. Misogynie kann offen sein (z. B. frauenfeindliche Sprache) oder subtil (z. B. Frauen in Gesprächen ständig zu unterbrechen oder ihnen weniger Kompetenz zusprechen).

 

Gender Pay Gap

Die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen. Laut Statistischem Bundesamt liegt sie in Deutschland 2024 bei rund 16 %. Bedeutet: Frauen verdienen im Schnitt deutlich weniger – für gleichwertige Arbeit. Und das hat nichts mit „Teilzeit“ zu tun, sondern mit struktureller Abwertung.

 

Pink Collar Work

Jobs, die traditionell von Frauen ausgeübt werden und gering bezahlt sind – etwa Erziehung, Pflege, Assistenz. Der Begriff spielt auf das klassische Bild des „blauen Kragens“ (Blue Collar: Fabrikarbeit) an. Pink Collar Jobs sind systematisch unterbewertet – nicht, weil sie weniger wichtig sind, sondern weil sie weiblich konnotiert sind. Die Feminiserung von Berufen ist dabei ein zentrales Problem.

 

Feminisierung von Berufen

Sobald ein Berufsfeld von mehrheitlich Frauen ausgeübt wird, sinkt sein gesellschaftlicher Status. Und meistens gleich noch das Gehalt mit. Es zeigt, wie sehr Lohnarbeit nicht nur nach Leistung, sondern auch nach Geschlecht bewertet wird.

Typisches Beispiel? Pflege, Erziehung, Assistenz – alles Bereiche, die gesellschaftlich absolut essenziell sind, aber unverschämt schlecht bezahlt. Warum? Weil Frauen sie machen. Und weil unsere kapitalistische Logik gerne ausblendet, dass Sorgearbeit überhaupt Arbeit ist.

Heißt das Frauen suchen sich einfach öfter schlechter bezahlte Jobs aus? Nein. Berufe werden entwertet, wenn Frauen sie erobern. Die IT-Branche gilt heute als eine der bestbezahlten und ist ganz klar männlich dominiert – nicht umsonst gibt es den Begriff Tech Bros. Aber Informatik war ursprünglich ein weibliches Berufsfeld, bis die Wichtigkeit von Computern zunahm, Männer sich dafür zu interessieren begannen und der Prestige-Faktor stieg. Ähnliches gilt für Medizin, Jura, sogar Tiermedizin. Dort, wo Frauen überhand gewinnen, kippt oft der Status und das Gehalt. Es ist, als würde das System auf gar keinen Fall zulassen wollen, dass typisch „weiblich konnotierte“ Arbeit hoch angesehen und gut bezahlt ist.

Die Feminisierung eines Berufsfelds geht also automatisch mit Entwertungsstempel einher. Und das betrifft nicht nur die Betroffenen im Job, sondern sendet eine klare Botschaft an kommende Generationen: Arbeit, die von Frauen gemacht wird, ist weniger wert. Das stellt uns vor eine soziale Katastrophe, denn die wichtigsten Berufe der Zukunft liegen genau da, wo heute schon unterbezahlt wird: in der Pflege, Bildung und sozialer Arbeit.

 

Care-Arbeit / Reproduktionsarbeit

Weltweit übernehmen Frauen den Großteil an Pflege, Kinderbetreuung und Haushalt – unbezahlt, und oft unsichtbar. In einem System, wo der Wert eines Menschen anhand seiner wirtschaftlichen Leistung bemessen wird, sendet das eine ziemlich klare Botschaft über die gesellschaftliche Stellung von Frauen.

Was aber wenn Care Arbeit nach kapitalistischen Kriterien sichtbar gemacht würde?

 

Gläserne Decke (Glass Ceiling)

Unsichtbare Barrieren, die verhindern, dass Frauen (oder andere marginalisierte Gruppen) in Führungspositionen aufsteigen – egal, wie qualifiziert sie sind. Männernetzwerke, fehlende Vorbilder, ausbleibende Förderung und Vorurteile („zu emotional“) sind oft die Ursache.

 

Rape Culture

Eine Gesellschaft, in der sexualisierte Gewalt normalisiert, verharmlost oder entschuldigt wird – und Betroffenen oft nicht geglaubt wird. Täter werden geschützt, Betroffene beschuldigt. Rape Culture ist kein Einzelereignis. Es ist ein Klima, in dem sexualisierte Gewalt möglich, stillschweigend hingenommen und nicht konsequent verfolgt wird.

Eng damit verbunden ist auch Victim Blaming 👇🏼

 

Victim Blaming

Die Tendenz, Opfern von Gewalt oder Diskriminierung die Schuld für das erlittene Unrecht zu geben, anstatt die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Dieses Phänomen ist untrennbar mit Rape Culture verbunden. Klassiker, wie sich die beiden auch im Alltag zeigen:

  • Mediale Darstellung: viel zu oft geht es in Schlagzeilen zu diesem Thema darum, dass eine Frau vergewaltigt wurde – die Frau ist das Objekt und der Fokus liegt auf dem Verhalten des Opfers, anstatt des Täters. Vergewaltigungen sind aktive Handlungen, die auch so benannt werden müssen: “Mann vergewaltigt Frau”. Die vergewaltigende Person verhält sich falsch, NIEMALS das Opfer.

  • Frühbildung: Mädchen lernen schon früh, wie sie sich schützen sollen, wie man sicher nach Hause kommt etc. Das alles ist leider wichtig für jede Frau*. Jungen jedoch wird selten beigebracht, was Konsens bedeutet oder wie sie sich auch im Alltag verhalten können, um Frauen* sicher fühlen zu lassen.

  • Popkultur: Serien, Bücher & Filme verharmlosen oder romantisieren übergriffiges Verhalten oft – Colleen Hoover I’m looking at you.

  • Alltagskommentare: von “Na wenn die so was kurzes trägt” hin zu “Warum ist sie denn auch mit ihm mitgegangen” liegt die Schuld immer bei der Frau. In einer Gesellschaft, wo Slut Shaming immer noch gängig ist, und weibliche und männliche Lust anders betrachtet werden, haben die meisten bereits solche Kommentare gehört.

  • Rechtssystem: Verfahren werden oft eingestellt, Aussagen von Betroffenen angezweifelt oder Täter kommen mit milden Strafen davon.

 

Slut Shaming

Slut Shaming ist ein patriarchales Werkzeug. Es soll Menschen, vor allem aber Frauen, ein Schamgefühl aufzwängen, dass sie ihre Sexualität selbstbestimmt ausleben. Dabei ist es egal, ob jemand viele Sexualpartner*innen hat (und selbst wenn, who cares?) oder nur ein kurzes Kleid trägt. Es wird dann von “billig aussehen”, “kein wifey material” (was auch immer das sein soll) und “selbst schuld” gesprochen. Dabei ist das Ziel jedoch immer Kontrolle. Denn weibliche Sexualität ist auch heute noch an Bedingungen und Machtstrukturen geknüpft. Slut Shaming basiert auf der Vorstellung, dass sexuelle Aktivität bei Frauen (so lange sie nicht dem Kinderkriegen, innerhalb der Ehe oder zur Lust des Mannes dient) entwertend ist. Sexualität bei Männern jedoch wird als etwas Aufwertendes gesehen. Warum? Weil das Patriarchat nicht von selbstbestimmten Frauen profitieren kann. Dafür muss weibliche Selbstbestimmung und selbstbestimmte Sexualität abgewertet werden.

 

Objektifizierung

Der Begriff Objektifizerung bedeutet vor allem, Personen als Dinge zu betrachten. Das trifft generell eher Frauen – auf Werbeplakaten, in Serien, in Gesprächen. Basically everywhere. Es geht darum, sie nicht als selbstbestimmte Subjekte wahrzunehmen, sondern sie als Lustobjekte, Dekoration oder Nebenfiguren abzustufen. Der Körper wird zum Produkt, das bewertet und kommentiert werden darf. Der Mensch dahinter? Nicht so wichtig.

Diese Reduktion eines Menschen auf einige wenige körperliche Attribute ist nicht nur respektlos, sondern gefährlich. Sie bildet die Grundlage für Grenzüberschreitungen, Respektlosigkeit und Gewalt. Wer immer nur über Körperteile spricht, verliert den Blick auf das Gegenüber als vollwertige Person. Und so machen auf einmal normschöne halbnackte Frauen Werbung für Süßigkeiten.

 

Allyship

Allyship im Allgemeinen beschreibt ein solidarisches Verhalten von Menschen mit Privilegien gegenüber marginalisierten Gruppen. In diesem Fall bedeuet es, dass Menschen aus privilegierten Gruppen (z. B. cis Männer) sich aktiv solidarisch zeigen, ihre Macht nutzen und sich gegen Ungerechtigkeit einsetzen – ohne sich selbst ins Zentrum zu stellen. Wichtig: Ally sein heißt zuhören, Räume schaffen ohne sie selbst einzunehmen, lernen und mitkämpfen, nicht dominieren.

 

Patriarchale Dividende

Der Begriff Dividende wird eigentlich in der Wirtschaft genutzt, und beschreibt den Teil des Gewinns, den Aktionär*innen eines Unternehmens ausgezahlt bekommen – einfach dafür, dass sie Anteile besitzen. Ohne aktive Arbeit leisten zu müssen.

Übertragen auf das Patriarchat bedeutet das, dass Männer (insbesondere Cis-Männer) soziale, wirtschaftliche und kulturelle Vorteile “ausgeschüttet” bekommen, ohne etwas dafür zu tun – ihr “Anteil” ist ihr Mannsein. Diese Dividende zeigt sich etwa in höheren Gehältern, geringerer sexueller Belästigung, weniger unbezahlter Care-Verantwortung, besseren Aufstiegschancen, mehr medialer Repräsentation – you name it.

Somit ist die Patriarchale Dividende ein passives Privileg, das wirkt, auch wenn ein Mann sich aktiv nicht sexistisch verhält. Sie profitieren strukturell von diesen Privilegien.

 

Toxische Männlichkeit

Ein Männlichkeitsideal, das von Männern verlangt möglichst stark, emotionslos, dominant und durchsetzungsfähig zu sein. Wer weint, verliert. Wer sich sorgt, ist “verweichlicht”. Wer sich nach Zuneigung sehnt, ist “nicht männlich genug”. Dieses Bild schadet Männern genauso wie allen anderen – weil es Verletzlichkeit, Fürsorge, Emotionen oder Schwäche als „unmännlich“ stigmatisiert.

 

Mansplaining

Wenn ein Mann einer Frau ungefragt etwas erklärt, das sie entweder längst weiß – oder sogar besser weiß – nur weil er glaubt, es besser zu wissen. Meist ungefragt. Oft in Meetings. Sehr oft auf Panels. Immer nervig.

 

Male Gaze

Ein Konzept aus der Medien- und Filmtheorie. Beschreibt die Art, wie Frauen in Medien oft aus männlicher Sicht dargestellt werden – also nicht als komplexe Menschen, sondern als Objekte zum Anschauen (und Begehren).

 

Matriarchat

Nicht einfach das Umgekehrte vom Patriarchat (also: Frauen herrschen über Männer), sondern Gesellschaftsformen, die auf Kooperation, Gleichwertigkeit, gemeinschaftlichem Eigentum und Fürsorge basieren. Es gibt und gab matriarchale Kulturen – und sie funktionieren sehr anders.