Die meisten kennen sie wohl von TikTok: Die Trad Wife. Obwohl sie sich als Lifestyle verkauft, ist sie eine politisch aufgeladene Figur: Sie stabilisiert alte Machtverhältnisse, tarnt konservative Ideologie & schließt dabei viele Menschen systematisch aus.
Sie backt Sauerteigbrot, pflegt ihre Haut mit Rosenwasser und lächelt in die Kamera, während ihr (ebenfalls gut gestylter) Mann mit Aktentasche aus dem Bild geht. Die “Trad Wife” ist zurück – oder war nie wirklich weg? Auf TikTok, Instagram und YouTube inszenieren sich Frauen unter diesem Hashtag als Inbegriff der traditionellen Hausfrau: sanft, mütterlich, unterstützend aber vor allem traditionell. Doch was aussieht wie eine harmlose Nostalgie-Welle mit Biedermeier-Filter, ist ein hochpolitisches Phänomen.
In diesem Post nehmen wir die neue Altmodischkeit genauer unter die Lupe, warum die Romantisierung traditioneller Frauenrollen gerade jetzt wieder aufblüht und was das ganze mit Reality TV zu tun hat.
Die Trad Wife-Ikonografie gleicht einem Pinterest-Board: teure Landhausküchen, perfekte Frisuren und dazu ein Outfit, das nicht selten aussieht wie aus einem Werbeclip des letzten Jahrhunderts. Und auch wenn ich der festen Überzeugung bin, dass jeder Mensch die Kleidung tragen soll, die ihm gefällt, steckt hinter diesem scheinbar unschuldigem Vintage-Hype mehr. Der Begriff “Trad Wife” steht für “traditional wife” also die “traditionelle Ehefrau”. Die zentrale Idee: Die Frau erfüllt die Rolle der häuslichen Ehefrau, ist fürsorglich, sanft und ganz klar stilisiert weiblich. Unterordnung wird zum Lifestyle. In den sozialen Medien geht es aber nicht um Trad Wives als problematischer konservativer Trend, wichtige feministische Entwicklungen der letzten Jahrzehnte rückzukehren, sondern als erstrebenswertes, scheinbar frei gewähltes Lebenskonstrukt. Die Frau als “Haushaltsmanagerin” erscheint hier nicht als Opfer patriarchaler Strukturen, sondern als empowered.
Doch warum wollen Frauen die so perfekt in konservative Bilder passen eigentlich als “empowered” wahrgenommen werden? Ganz einfach: Weil sie wissen, dass das Bild der abhängigen Hausfrau der 50er heute nicht mehr sexy ist. Also wird es umgedeutet – in “freiwillige Hingabe”, “weibliche Energie” und “Entscheidung für die Familie”. Damit wird Unterordnung als spirituelle Ermächtigung verkauft. Klingt wie der Beginn einer True Crime Doku über Sekten, oder? Naja, das Framing ist zumindest gut gewählt: Wer sich freiwillig für die Rolle der Hausfrau entscheidet, kann nicht als untergeordnet und uneigenständig kritisiert werden. Aber ist Eigenständigkeit eine Illusion, wenn sie ohne finanzielle Absicherung, mit sozialen Rollenerwartungen und internalisierter Misogynie einhergehen?
Denn auch wenn Trad Wives selbst sich nicht frauenfeindlich äußern, stützen sie in der Praxis Strukturen, die Frauen in ökonomische und soziale Abhängigkeiten drängen und diese verherrlichen. Sie reproduzieren ein Frauenbild, dass sich nicht nur die Mehrheit der Bevölkerung nicht leisten kann, sondern alle Familienformen abseits der heteronormativen Kleinfamilie abwerten. Das Narrativ ist nicht neu, doch noch nie war es so schön algorithmusfreundlich verpackt wie heute.
Was Trad Wives dir nicht erzählen
Was auf Social Media wie eine nostalgische, selbstbestimmte Rückkehr zur Weiblichkeit inszeniert wird, ist oft eine weichgezeichnete Version von struktureller Abhängigkeit – eine, die viele Trad Wives selbst nicht (an)erkennen. Denn die ökonomische und emotionale Unsicherheit, die mit dem Trad Wife-Modell einhergeht, lässt sich leicht ausblenden, wenn der Alltag mit Blumensträußen, Matcha-Lattes und „my morning routine as a homemaker“-Clips gefüllt ist.
Solange Care Arbeit nicht entlohnt wird, basiert die Rolle als Hausfrau fast immer auf finanzieller Abhängigkeit vom Mann. Ich will den Ehemännern hier nicht absprechen, dass sie ihre Frau nicht lieben, ABER es wird ein Beziehungsbild reproduziert, das auf Abhängigkeit und Machtverhältnissen basiert. Kein eigenes Einkommen, keine Rentenansprüche, keine Absicherung im Fall einer Trennung – das sind keine Nebensachen, das ist Lebensgrundlage. Viele Trad Wives setzen darauf, dass ihre Ehe für immer hält – aber was wenn nicht? Immerhin wird knapp jede dritte Ehe geschieden. Und ohne eigenes Einkommen, Ausbildung oder Vorhinein geregelte Absicherung ist der Weg zurück in den Arbeitsmarkt oft schwer.
Ein gewisser Grad von gegenseitiger Verantwortung für einander ist normal in Beziehungen – immerhin teilt man häufig Emotionen, Besitz, Raum und Zeit mit der Person. Finanzielle Abhängigkeit jedoch kippt dieses Gleichgewicht. Wenn dein gesamtes finanzielles Auskommen davon abhängt, bei einem Partner zu bleiben, hat das oft zur Folge, dass Frauen in gewaltvollen Beziehungen verharren und Misshandlungen aushalten müssen. Zur emotionalen Abhängigkeit, die in vielen toxischen Beziehungen herrscht, kommt also noch die finanzielle hinzu. In einer Realität, wo alleinerziehende Mütter stärker armutsgefährdet sind, Wohnraum immer teurer wird und soziale Sicherheitsnetze immer weiter abgebaut werden, wird es Frauen weiter erschwert zu gehen.

Die völlige Auflösung des “Ich’s” im Namen des familiären Wohlbefindens, ist isolierend. Wenn die soziale Welt der Frau sich nahezu vollständig um Ehemann, Kinder und Haushalt dreht, wird Care-Arbeit schnell zur ganzen Lebensaufgabe. Das Gefühlt gebraucht zu werden, kann schön sein. Aber auch süchtig machen und ausbrennen. Wenn dann Konflikte, Krisen oder Schicksalsschläge hinzukommen, bleibt wenig Rückzugsraum. Wer nie gelernt hat, sich außerhalb der Beziehung als Individuum zu sehen, Freundschaften zu pflegen und Hobbies zu kultivieren, hat oft keinen Plan B. Der einzige Ansprechpartner bleibt der Ehemann. Aber darüber wird nicht gesprochen. Nicht, weil sie lügen – sondern weil das Narrativ der perfekten Frau diese Mankos nicht duldet.
Die Romantisierung der Rolle als Ehefrau und Mutter lässt viele Frauen glauben, sie hätten keine Karriereambitionen und leben nur dafür Mutter zu sein. Und auch wenn das garantiert auf einige zutreffen mag, ist das für viele eine sozial eingeübte Selbstdeutung. Wenn dir ein ganzes Leben lang gesagt wurde, dass Fürsorglichkeit deine Talente ist, ist es kein Wunder, dass du im Sauerteig deine Berufung findest. Was aber nicht okay ist, ist anderen Frauen zu vermitteln, dass sie sich schlecht fühlen sollen, wenn sie mehr wollen als nur Mutter sein. Wenn sie nicht auf eine Rolle reduziert werden wollen und auch Freundin, Chefin – Individuum – sein wollen.
Trad Wives können sich ihren Lebensstil nur leisten, weil sie oft bereits privilegiert sind: finanziell abgesichert, weiß, westlich, in einer Partnerschaft lebend, mit Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung. Und genau diese Voraussetzungen fehlen vielen Frauen, insbesondere denen, die mehrfach diskriminiert sind.
Alleinerziehende Mütter, zum Beispiel, tragen nicht nur allein die emotionale und körperliche Sorgearbeit, sondern auch die finanzielle Verantwortung. Sich auf einen Lebensstil zu berufen, der von ökonomischer Abhängigkeit lebt, ist für sie schlicht nicht möglich. Auch Frauen of Color sind oft strukturell benachteiligt: durch rassistische Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, ungleiche Bezahlung und geringere soziale Absicherung. Für sie ist die Option, sich aus dem Erwerbsleben zurückzuziehen, steht nicht zur Wahl, weil es zu prekärer Armut führen würde.
Ein weiteres Beispiel sind berufstätige Frauen mit Care-Verantwortung innerhalb der Familie, wie etwa die Pflege von Angehörigen oder die Betreuung von Kindern. Sie stehen bereits unter einer enormen Doppelbelastung – Trad Wife sein, mit täglich selbstgebackenem Brot und ästhetischem Moodboard, wäre ein absurdes Ideal.
Das Problem? Die Trad Wife-Idee tut so, als sei dieser Lebensstil universell anwendbar. Sie verschweigt, dass er nur für eine kleine, privilegierte Gruppe von Frauen überhaupt in Reichweite liegt. Damit wird Armut, Stress und Mehrfachbelastung unsichtbar gemacht – und das unter dem Deckmantel der natürlichen Weiblichkeit. Bei einem Lebensstil der so stark auf Privilegien aufbaut, ist auch nicht weiter verwunderlich, warum er hauptsächlich im Westen auftritt.
Nach dem Blick auf die Privilegien wird klar: Trad Wife ist kein universelles Modell – sie ist ein westliches Phänomen, das ausgerechnet dort entsteht, wo Frauen theoretisch die meiste Wahlfreiheit genießen. Klingt paradox? Ist aber logisch. Denn das nostalgische Trad Wife-Lifestyle ist weniger ein Zeichen von Rückständigkeit als vielmehr ein reaktionäres Symptom von Überforderung und Sättigung in einer individualisierten Gesellschaft.
In vielen nicht-westlichen Kontexten existieren traditionelle Frauenrollen nicht als Ästhetik, sondern als sozialer Zwang. Dort ist Hausfrau-Sein kein Lifestyle, sondern gesellschaftliche Norm. Die Frau pflegt, versorgt, erzieht, hilft mit, kümmert sich – weil es keine Alternative gibt. Bildungschancen, Zugang zu Erwerbsarbeit, Recht auf Selbstbestimmung: all das ist in vielen Teilen der Welt immer noch eingeschränkt. Trad Wife sein ist dort kein aesthetic – es ist normaler Alltag.
Trad Wives profitieren also von feministischen Errungenschaften, um sich gegen den Feminismus zu positionieren – und genau das macht das Ganze so ironisch. Die Freiheit, sich „freiwillig zu unterwerfen“, existiert nur dort, wo andere Frauen lange gekämpft haben, damit Unterwerfung nicht mehr alternativlos ist.
Ironischerweise feiert der Westen hier ein Konzept, das er jahrzehntelang als rückständig kritisierte. Doch solange die Wahlfreiheit besteht, wirkt selbst Unterordnung wie Selbstbestimmung. Und genau deshalb funktioniert es: Es wird zum Gegenbild der stressigen, überfordernden, oft enttäuschenden kapitalistischen Leistungsgesellschaft. In einer Welt, in der „having it all“ immer mehr Menschen erschöpft, erscheint das “traditionelle Glück” als befreiende Vereinfachung. Welcome to late-stage Capitalism.
Den Gedanken den Kapitalismus nicht mehr auszuhalten und flüchten zu wollen, kann ich nur zu gut nachvollziehen. Du hast genug davon auf Emails zu antworten (fühl ich), bist überarbeitet und unterbezahlt? Da wirkt das Versprechen von “einfach nur lieben, kochen und kümmern” wie Urlaub. Spoiler: Kapitalismus geht weiter, aber du wirst nicht mehr dafür bezahlt.

Es ist kein Zufall, dass die Trad Wives ausgerechnet jetzt einen Boom erleben. Was auf Detox aussieht wie ein Detox des modernen Lebens und all seinen Stressoren, ist ein kulturelles Echo auf gesellschaftliche Krisen – ein ästhetischer Konservatismus im Zeitalter der Unsicherheit.
Historisch betrachtet waren Phasen, in denen Frauen plötzlich wieder „zurück an den Herd“ sollten, nie privat motiviert, sondern politisch und wirtschaftlich. Während des Zweiten Weltkriegs (und auch anderen Kriegen) nehmen Frauen oft die Arbeitsplätze von Männern ein.
Während des Zweiten Weltkrieg nahmen Frauen die Arbeitsplätze der Männer ein, die an die Front geholt wurden. Dabei bewiesen sie, dass sie sehr wohl kompetent, leistungsfähig und eigenständig sein können. Hierbei spielen feministische Gedanken keine Rolle, sondern es geht lediglich darum keine Arbeitskraft zu verlieren. Als der Krieg jedoch vorbei war und viele Soldaten wieder heimgekehrt sind, mussten diese wieder ihre Arbeitsplätze zurückbekommen. Daher musste in den 1950ern ein neues Narrativ kuriert werden, das die erneute Vertreibung der Frau vom Arbeitsmarkt rechtfertigt. Die Propaganda der “glücklichen Hausfrau” wurde erfunden wurde zum Werkzeug, um Frauen aus der Erwerbsarbeit zu drängen und Männer wieder als Alleinversorger zu etablieren. Vorbei ist der Schrecken von der gleichberechtigten Frau. Brrr, gruselig.
Der Trad Wife-Trend ist also kein neues Phänomen – sondern eine Wiederholung alter Reaktionen auf weibliche Autonomie. Nur diesmal halt auf Instagram und nicht in Werbespots. Unsere moderne Welt ist von Krisenmeldungen geprägt: die Klimakatastrophe ist allgegenwärtig, die ökonomische Lage unsicher mit steigender Inflation, angespannten Wohnungsmärkten, politischer Polarisierung und digitaler Reizüberflutung. Dass Menschen also das Gefühl bekommen, ihre Lebensrealität nicht kontrollieren zu können und sich hilflos fühlen, ist nur all zu verständlich.
In dieser Lage erscheint das Trad Wife als Ruhepol: Eine Frau, die Ordnung schafft, die Rituale pflegt, die sich nicht ständig neu erfinden muss und klare Rollen lebt. Der Sauerteig ersetzt die Spinning Class im Fitnessstudio. Die selbstgemachte Butter den Business-Call. Die Vorstellung das kapitalistische System so hinter sich lassen zu können, wirkt verführerisch.
Und dann ist da noch das politische Klima: Der globale Rechtsruck macht vor Geschlechterrollen nicht halt. Eher im Gegenteil – er verstärkt sie. Rechte Parteien in Europa, den USA, und anderen Ländern fordern wieder klar definierte Familienbilder, propagieren Anti-Gender-Ideologie und stellen Gleichstellungspolitik offen infrage. Frauenrechte werden wieder zur Verhandlungsmasse – man denke an das Abtreibungsverbot in Polen oder die Rücknahme von „Roe v. Wade“ in den USA. In dieser Umgebung wird das Trad Wife-Ideal nicht nur geduldet, sondern aktiv gepusht – als Rückbesinnung auf „die natürliche Ordnung”, als Abgrenzung zu queeren Lebensrealitäten, und als Feindbild gegen feministische Vielfalt.
Die Trad Wife ist politischer Zeitgeist. Eine Reaktion auf das Gefühl von Kontrollverlust. Eine Flucht in einfache Antworten. Und sie inszeniert sich dabei nicht als Anti-Feminismus, sondern als Post-Feminismus, der sagt: „Ich brauche keine Gleichberechtigung – ich will gar keine.“ Das ist gefährlich. Denn es sieht harmlos aus, ist aber hochgradig regressiv.
Gleichzeitig ist der Aufstieg der Trad Wife auch eine Reaktion auf den neoliberalen Feminismus, der über Jahre suggeriert hat: Du kannst alles sein, wenn du dich nur genug anstrengst. Karriere, Kinder, Sixpack und ein Etsy Side-Business . Viele Frauen hat das überfordert und ausgebrannt. Und statt den Kapitalismus zu kritisieren, der uns diese Überlastung eingebrockt hat, wenden sich einige lieber komplett vom Emanzipationsgedanken ab und dem gegenteiligen Extrem zu. So landen sie beim nächsten durchgebrandeten Lebensstil, der diesmal „Natürlichkeit“, „Weiblichkeit“ und „Heilung“ verkauft. Nur dass unter dem floral geblümten Vorhang wieder dieselben alten patriarchalen Muster sitzen – jetzt halt mit Affiliate-Link für Brotdosen.
Wir alle erinnern uns an die Zeit als Millenials sich selbst als Plant-Parents bezeichnet haben, oder? Da scheint Sauerteig als das natürliche Level-Up der Pflanze zu sein. Sauerteig erscheint dabei fast schon wie das Haustier der erschöpften Mittelschicht. Kein Witz.
Du musst ihn füttern (ich war today years old als ich das gelernt habe), regelmäßig beobachten, kannst ihn keinen Tag alleine lassen und die Chancen stehen hoch, dass du ihm früher oder später einen Namen gibst. Wie bei Haustieren sind alte Herrennamen für mich ein Klassiker – how about Herbert? Aber warum machen jetzt alle ihr Brot selbst?
Sauerteig ist das perfekte Symbol für unser kollektives Verlangen Kontrolle über unser Leben zurückzuerlangen. Klingt weit hergeholt, aber hear me out! Die Welt brennt, die Begriffe Eigentum und Rente kennen wir maximal aus Erzählungen und was politisch so abgeht, versteht sowieso niemand. Aber es gibt einen Lichtblick: Ein Einmachglas wo alles verlässlich seinen Lauf nimmt. Mehl + Wasser + Zeit = Leben. Sauerteig liegt dabei irgendwo zwischen Achtsamkeit, Wissenschaft und Alchemie. Es ist der Versuch, das Chaos des modernen Lebens in einem Brotteig zu bändigen. Und wer kann einem das schon verübeln?

Für viele Cis-Männer bedeutet der Trad Wife-Trend eine Rückkehr zu einer Welt, in der sie nicht jeden Abend über Mental Load, Gender Pay Gap oder geteilte Elternzeit diskutieren müssen. Stattdessen gibt’s Abendessen auf dem Tisch, gebügelte Hemden, und emotionale Unterstützung inklusive – ohne dass sie dafür ihre eigenen Privilegien groß hinterfragen müssen. Der Trad Wife-Trend bedient die Fantasie, dass emotionale und organisatorische Beziehungsarbeit wie von Zauberhand erledigt wird – ganz ohne Diskussionen über Gleichverteilung oder unbezahlte Care-Arbeit. Die Rollen sind klar, Erwartungen ebenso.
Egal ob religiös motiviert oder ideologisch durchzogen: Der Trad Wife-Trend ist das Pinterest-Posterchild für eine rechtskonservative Agenda. Frau = Heimat. Familie = Stabilität. Unabhängige Frauen = Gefahr. In dieser Gleichung hat Selbstbestimmung keinen Platz.
White Supremacists, antifeministische Influencer, queerfeindliche Organisationen und ultra-religiöse Gruppierungen feiern die Trad Wife als „Rückkehr zur Ordnung“. Was auf TikTok aussieht wie ein cuter Trend in Pastellfarben, ist für diese Gruppen ein Manifest: gegen LGBTQAI+ Rechte, gegen alternative Beziehungskonzepte, gegen Gleichstellung.
Während progressiver Aktivismus laut, wütend und inklusiv sein muss, reicht hier ein geflochtener Zopf und ein nach Farben sortierter Kleiderscharnk, um antifeministische Ideologien als „Lifestyle“ zu verkaufen. Die Message: Gleichberechtigung, sexuelle Vielfalt, moderne Sozialsysteme – alles nur Auswüchse einer Welt, die sich selbst verloren hat und endlich wieder „geheilt“ werden muss. Whatever the hell that means.
Während Content über Polizeigewalt, systemischen Rassismus, queeren Aktivismus oder feministische Kämpfe oft demonetarisiert, geflaggt oder ganz gesperrt wird („zu kontrovers“), gibt es bei Backvideos und Momtok-Dances kaum etwas zu beanstanden. Plattformen wie Instagram und TikTok bevorzugen einfachen Content – ästhetisch, harmonisch, klickbar. Der Trad Wife-Trend liefert genau das: Statt Polizeigewalt gibt’s Pastellfarben, statt Kriegsberichterstattung einen slow-motion Clip von den Kindern. Und der Algorithmus bestimmt, was profitabel ist. Influencerinnen in dieser Nische sind leicht zu vermarkten: Lebensmittel Haul? Rabattcode. Bibelzitat im Reel? Brand-Safety approved. Nichts stört den Monetarisierungsfluss so wenig wie eine Frau, die sich in ihrer Küche den eigenen Mann „zurückerobert“.
Solange Frauen sich „freiwillig“ entscheiden, Zuhause zu bleiben, muss niemand über die strukturelle Aufwertung von Care-Arbeit, flächendeckende Kinderbetreuung oder Elternzeit für Männer nachdenken. Alles bleibt, wie es war – nur mit besserem Branding. Denn strukturelle Probleme bleiben unsichtbar, weil sie privat inszeniert werden. Das Narrativ: Wer es anders will, soll’s halt machen. Und wer sich so entscheidet, hat eben „ihren Weg“ gefunden. Win-win. Für alle, außer für die, die keine Wahl haben oder es gerne anders hätten. Für die heißt es kämpfen.
Nicht zu vergessen: Einige Trad Wives haben längst begriffen, wie lukrativ das Image ist. Dank Brand Deals, Sponsoren und Partnerships wird der Lebensstil zum Businessmodell. Klingt paradox, ist es auch. Denn sie verkaufen ein Ideal von Selbstaufgabe und Zurückhaltung, um damit sich selbst zu vermarkten.
The Secret Lives of Mormon Wives ist basically wie die Kardashians nur mit Kirchenbesuchen statt Red Carpet. Die Show hat für viel Aufsehen gesorgt, weil es erstmals eine Reality TV Show ist, die Einblicke in das Leben von Frauen innerhalb konservativer, mormonisch geprägter Gemeinschaften in den USA liefert. Eine Gesellschaft, die vor allem vielen Europäer*innen als fremd erscheint. Familie, Religion und Geschlechterrollen bilden so etwas wie die heilige Dreifaltigkeit und die Frauen wirken wie das Paradebeispiel traditioneller Weiblichkeit (Swinging-Skandal mal beiseite). Das Ideal der gepflegten, kinderreichen Frau, die ihrem Ehemann treu ist wird hochgehalten.
Aber ist das wirklich so? Öffentlich devot, privat strategisch und oft finanziell dominant. Durch Social Media – insbesondere TikTok – ist es Frauen historisch erstmals möglich, durch ihre Arbeit als Ehefrau und Mutter zur Brotverdienerin der Familie zu werden. So inszenieren die Frauen ihr Leben unter dem Trend #MomTok: Eine Welt, wo sich alles darum dreht Mutter zu sein. Sie müssen das Haus nicht mehr verlassen, um Geld zu verdienen – sie (und ihre Familien) sind das Produkt. Ihre Familie, ihre Küche, ihr Sauerteigbrot – all das wird zur Ware, die sich über Kooperationen, Clicks und Affiliate Links monetarisieren lässt. Was wie harmloser Alltag wirkt, ist in Wahrheit ein lukratives Business.
In Secret Lives of Mormon Wives wird deutlich: Die Frauen, die auf TikTok die perfekte Ehefrau spielen, sind nicht selten die tatsächlichen Hauptverdienerinnen. Ihre Rolle bleibt traditionell in der Ästhetik, aber nicht mehr in der Funktion.
Und so kommt unweigerlich die Frage auf: Ist es Empowerment, wenn die Hausfrau Geld verdient, aber gleichzeitig ein konservatives Frauenbild promotet?
Momtok hat bewiesen, dass man Trad Wife sein zu einer Marke – und somit zur Einkommensquelle – machen kann. Und eines steht fest: Diese Frauen sind die Geldverdienerinnen, bauen sich eigene Projekte auf und können finanziell für sich selbst sorgen. Aber ist das jetzt schon Feminismus und Empowerment?
Naja, nicht wirklich. Wenn Empowerment nur innerhalb einer heteronormativen Nuklearfamilie mit hyperfemininen Rollenbildern stattfinden darf, ist das nicht wirklich Befreiung. Als Frau Geld zu verdienen, macht einen noch nicht automatisch zu einer Feministin. Es bedeutet auch, andere Lebensentwürfe als gleichwertig zu respektieren. Viele Trad Wife Influencerinnen predigen jedoch eine scheinbar freiwillige Rückkehr zur natürlichen Rolle der Frau als heterosexuelle Ehefrau mit Kinderwunsch. Somit wird (in)direkt vermittelt, dass unbezahlte Care-Arbeit der eigentliche Platz der Frau ist. Dass sie durch Plattformen wie TikTok auch innerhalb ihrer eigenen 4-Wände dadurch auch noch Geld verdienen können, ändert nichts an der missionarischen Grundhaltung. Empowerment geht nicht ohne Solidarität mit anderen Lebensformen. Feminismus geht nicht ohne Solidarität mit allen Frauen*.
Wichtig zu bedenken ist außerdem: Die Monetarisierung dieser Lebensweise gelingt nur wenigen. Die meisten Frauen, die Hausfrauen sind, bleiben ökonomisch abhängig. Kein Algorithmus, keine Kooperationsanfragen, kein Referral-Link.
Die Frage, die ich mir unausweichlich stelle – gibt es ein Gegenmodell? Gibt es eine Realität, wo ein Trad Wife auch emanzipiert und feministisch sein kann? Die Idee wäre eine Lebensrealität zu entwerfen, wo eine Frau frei und strukturell abgesichert die Rolle einer traditionellen Hausfrau wählt. Diese Grundbausteine dürften dabei nicht fehlen:
Die Hausarbeit, Krankenpflege, Kinderbetreuung und emotionale Familienarbeit wären keine “Liebesdienste” mehr, sondern gesellschaftlich anerkannte und bezahlte Arbeit. Entweder über ein staatliches Modell (Stichwort: Care-Gehalt) oder, in der Privatversion, durch ein Gehalt vom Ehemann an die Partnerin. Denn solange das ökonomische Standing der Frau an den guten Willes ihres Mannes gekoppelt ist, gibt es keine wahre Unabhängigkeit. Klingt ungewohnt, aber nur weil es noch keine gängige Praxis ist. Wer Vollzeit arbeitet, verdient auch ein faires Gehalt – inklusive Sozialversicherungsbeiträgen, Rentenkonto und Rücklagenbildung. Diese Absicherung würde auch einen rechtlich bindenden Anspruch bei Trennung oder Scheidung und eine Mitbeteiligung am Familienvermögen beinhalten.
Bye bye Abhängigkeit! 👋
Eine Entscheidung ist nur dann frei, wenn sie auch umkehrbar ist. Eine emanzipierte Trad Wife müsste jederzeit die Möglichkeit haben, aus ihrer Rolle auszusteigen – sei es durch Scheidung, Umorientierung oder einfach, weil sie keine Lust mehr hat, Sauerteig zu füttern. Dazu braucht es Zugang zu Weiterbildung, Netzwerken, beruflichen Optionen und rechtlicher Absicherung.
Damit die Rolle wirklich freiwillig ist, müsste sie aus einem Pool gleichwertiger Optionen gewählt sein und nicht, weil es untragbar wäre alleinerziehend zu sein, der Arbeitsmarkt keine Perspektiven bietet oder soziale Normen diese Entscheidung aufdrängen.
Trad Wife zu sein dürfte nicht bedeuten, dass die Frau auf die Rolle der Hausfrau, Ehefrau und Mutter reduziert wird. In diesem Modell wären diese Rollen nur Teilaspekte – nicht ihre gesamte Realität. Sie pflegt weiterhin Freundschaften, hat ein Auffangsystem außerhalb der Partnerschaft, geht eigenen Hobbies nach, hat Raum sich zu entfalten, politische Überzeugungen und wenn sie möchte, auch ein Nebeneinkommen. Das unterscheidet sie maßgeblich von der klassischen 50s Hausfrau – sie kümmert sich, aber verliert sich nicht darin.
Wirklich gleichberechtigt wäre dieses Modell nur, wenn beide Partner Verantwortung tragen – auch emotional und organisatorisch. Der Mann trägt seinen Teil nicht nur finanziell, sondern auch im Mental Load, in Erziehungsfragen und Beziehungsarbeit. Wenn sie Hausfrau ist, ist er kein „Ernährer“, sondern ihr Team-Partner auf Augenhöhe.
Ganz wichtig: Die emanzipierte Trad Wife betrachtet ihr Lebensmodell nicht als universelle Lösung für alle Frauen. Sie weiß um ihre Privilegien – zum Beispiel den Umstand, dass sie überhaupt wählen konnte. Und sie benutzt ihre Plattform (online oder offline), um für strukturelle Verbesserungen für alle Care-Arbeiter*innen und Frauen im Allgemeinen zu kämpfen. Sobald das Modell beginnt, sich über andere Frauen zu erheben, ist es nicht mehr feministisch – sondern normativ und ideologisch gefärbt.
Hier ist der Haken: Sobald eine Frau finanziell abgesichert, frei, vernetzt, individuell und nicht emotional exklusiv auf die Care-Rolle festgelegt ist – ist sie dann noch eine Trad Wife?
Eine Frau, die sich absichert, abspricht, gleichwertig lebt und trotzdem Brot backt – das ist realistisch und emanzipiert. Aber das Trad Wife-Ideal, so wie es auf TikTok, in konservativen Kreisen oder in rechten Popdiskursen gezeichnet wird, kann nicht emanzipiert sein, weil es sich strukturell aus dem Gegenteil speist: Abhängigkeit, Reinheit, Unterordnung.
Wenn du also alles rausnimmst, bleibt vielleicht noch das Outfit, das Brot und die sanfte Musik – aber nicht mehr die Struktur. Was bleibt, ist dann vielleicht einfach: eine Person, die gerne zuhause ist und das Leben curatet. Und das ist okay. Aber es ist kein Trad Wife-Dasein mehr.
Sicher, Sauerteig ist toll. Aber wenn er zur Metapher für weibliche Selbstaufgabe wird, sollten wir aufhören, ihn zu füttern. In einer Welt, die chaotisch ist, mag die Vergangenheit wie eine Lösung wirken. Aber echte Emanzipation bedeutet mehr als Ordnung durch Rückschritt. Durch die Glorifizierung alter Rollenbilder verliert man schnell die Fortschritte aus dem Blick, für die andere Frauen hart gekämpft haben. Emanzipation bedeutet, sich nicht mit dem Patriarchat zufrieden zu geben – auch wenn es in Pinterest Optik daherkommt. Denn ich wünsche mir eine Zukunft, die nicht aussieht wie 1954 mit WLAN und besserer Bildqualität.